Artikel Nr: SE02    
alle verstecke k  

Dora Baltea

Alle Verstecke sind aufgebraucht

Una volta sará
l‘infanzia
una fantasia.

Einmal wird die Kindheit
eine Phantasie sein.
Und das Reden vom Tod
noch nichts sonst gewesen
als das Phantasieren
alter Leute.

Solo gli innamorati
sono immortali.

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 Artikel Nr: SE03    
ich fresse mich k  

Simon Enitor

Ich fresse mich an meinem Hunger satt

Lest die Zeitung!
Lest die Presse!
Dann seid ihr informiert:
Eine Frau hat ihre Töchter
erst erdrosselt
und dann skalpiert.
Welch‘ hygroskopisches Wunder
ist doch Zeitungspapier!
Wie es die Tränen absorbiert,
ja das Blutbad sogar
im klugen Kommentar
vollkommen abstrahiert.
Lest die Zeitung!
Lest die Presse!
Nichts gibt es, das besser
gegen die Kälte der Welt isoliert.

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 Artikel Nr: SE04    
selbstverwirklichung k  

Paul Willernicht

Selbstverwirklichung und Selbstverbrennung

Und ja, sein Vorsatz – wie reichte er weit!
Denn vor allem da mocht‘ er
ihrem Begehren eine Tochter
abgewinnen und der Liebe eine Hochzeit.

„Ach Liebster! Wir haben doch Zeit,
sei unbesorgt!“ Und so hofft er
weiterhin und zieht seine Kreise in ungebroch‘ner
seliger Zukunftsgläubigkeit.

Ich weiß nicht, was aus den beiden noch wird,
und entscheid ‘s auch nicht auf meiner Schreibmaschine.
Doch erinnern sie mich an ein anderes Paar,
das, ach, vom Geschick zum aussichtsreichsten gekürt,
auseinanderging mit betretener Miene
– du weißt es doch noch? – erst im Herbst vor einem Jahr.

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 Artikel Nr: SE05    
aus dem schraubstock k  

Lukas Nimant

Aus dem Schraubstock meines Eigensinns

Ach, wär‘ ich doch in die Fabrik gegangen,
Objekt des Scientific Management!
Mein Herz wär‘ im Akkord vergangen,
statt vor Schreiblust, die meine Zeit verbrennt.

Eine eitle Droge ist die Poesie.
Selbst wenn du schwanger gehst mit ihr, wirst du nicht produktiv.
Meinen Frieden hätt‘ ich in der Industrie
allemal gefunden, dem entfremdet, dem ich mein Leben lang nachlief.

Statt am Fließband mir mein Brot zu holen,
hur‘ bei Verlagen ich und bei Mäzeninnen herum.
Ihr Verse! Für euch hab‘ ich mir selbst die Zeit gestohlen
und frag‘ mich blöd mit euch: Was nun?

Oh Herr,
lass‘ mich im Lotto gewinnen,
nicht um mir Deine Existenz zu beweisen,
sondern um meiner Existenz
einen Dienst zu erweisen – einfach so.

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 Artikel Nr: SE06    
was keiner vom k  

Raoul Nodtenspilk

Was keiner vom anderen weiß

An sich wäre die Situation ja komfortabel. David liebt seine Frau. Und Dora. Dora wiederum liebt David. Und Robert, ihren Mann. Denn David und Dora stimmen nicht nur in beinahe allem, was ihnen wesentlich ist, überein. Sie führen auch analoge Ehen. So sehr die beiden aber miteinander leben wollen, so wenig sind sie imstande, sich ein Leben ohne ihre Ehepartner vorzustellen. Wie lange soll das so weitergehen?, ist darum eine Frage, die sie sich häufig stellen. Nach all den Glücksmomenten? Nach all den vielen Erfahrungen, die sie darin bestärkt haben, dasselbe Lebensgefühl zu besitzen, ein Gefühl zudem, das sie einander schenken können? Als die spirituell veranlagte Dora dem zornigen Atheisten David auch noch ein metaphysisches Erlebnis beschert, nehmen sie sich vor, es endlich darauf ankommen zu lassen. David und Dora beschließen, ein wie vom Zufall arrangiertes Zusammentreffen aller Beteiligten auf der Laguneninsel Torcello herbeizuführen. Ort der Entscheidung soll die Locanda Cipriani sein, ein Platz an dem schon Hemingway über eine tragische Liebe schrieb. Als sich die beiden Paare getrennt voneinander auf den Weg machen, besteigt auch Cleo, Roberts ehemalige Brieffreundin, ihr Flugzeug nach Venedig. Mehr noch als auf den Flug über die Alpen freut sie sich auf die Bootsfahrt, die sie vom Flughafen Marco Polo über die Lagune bis vor die Locanda bringen wird. Und so mischt der Zufall, der sich nicht missbrauchen lässt, tatsächlich mit.

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